Die Partei des Demokratischen Sozialismus Deutschland

Die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) nannte sich vom Februar 1990 bis zum Juli 2005 die Nachfolgeorganisation der DDR-Staatpartei SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands). Letztere entstand 1946 durch die, teilweise mit erheblichem Zwang durchgesetzte, Vereinigung von SPD und KPD in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands.
Mit dem Zusammenbruch und dem Zerfall der DDR und der Emanzipation vieler ihrer Bürger von der Staatsführung kam der SED ihre Funktion als Staatspartei abhanden. An der Jahreswende 1989/1990 versuchte sie sowohl ihr Machtmonopol und als auch ihre materielle Basis zu sichern und sich den veränderten politischen Rahmenbedingungen anzupassen. Diese Ambivalenz – Erbe der sozialistischen Entwicklungsdiktatur DDR und gleichzeitig sozialistische Partei in einer demokratischen Gesellschaft zu sein – bestimmte den Charakter der PDS dauerhaft.

Um- und Aufbau der Partei
Die Partei nahm im Dezember 1989 ihren Anfang. Auf einem zweigeteilten Parteitag wählte die SED zunächst am 9. Dezember mit dem Berliner Rechtsanwalt Gregor Gysi einen neuen Parteivorsitzenden und beschloss, sich von den alten Strukturen der Parteiorganisation zu verabschieden. Eine Woche später erfolgte auf dem zweiten Teil des Parteitages die Umbenennung in SED-PDS. In den folgenden Wochen brach die „neue“ Partei mit den Dogmen der zentralistischen Staatspartei. Sie verzichtete auf das erklärte Wahrheitsmonopol des Marxismus-Leninismus, auf ihre Rolle als führende Partei der Arbeiterklasse und verabschiedete sich vom „demokratischen Zentralismus“ als Parteistruktur. Gleichzeitig machte Michail Gorbatschow, Generalsekretär der KPdSU, den deutschen Genossen deutlich, dass sie aus jeder Vormundschaft entlassen sind und somit selbstverantwortlich handeln können und müssen. Als sie sich auf Vorstandsbeschluss am 4. Februar 1990 in PDS umbenannte, verstand sie sich als Sammelbecken der Linken in der Bundesrepublik. Ende Februar 1990 gab sie sich auf einem Wahlparteitag schließlich ein neues Parteiprogramm und Statut. Damit erfüllte sie kurz vor der Volkskammerwahl am 18. März die formalen Anforderungen der Demokratie.
Die folgenden Monate bis zur deutschen Vereinigung am 3. Oktober und der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 brachte der Partei einige Turbulenzen und einen Kampf ums politische Überleben. Sie schrumpfte auf ein Zehntel ihrer ursprünglichen Größe und musste dementsprechend innerhalb kürzester Zeit nicht nur die Parteiorganisation umbauen, sondern auch noch den Versuch unternehmen, sich in den alten Bundesländern zu organisieren. Während sie sich im Osten relativ gut aufstellen konnte, misslang eine Etablierung im Westen dauerhaft. Das Ziel, eine gesamtdeutsche linke Sammelbewegung zu werden, scheiterte weitgehend. Nur vereinzelt engagierten sich ehemalige Mitglieder der SPD, der Grünen, der Gewerkschafts- oder Friedensbewegung oder der Kirchen in der Partei.
Auch wenn die PDS immer eine Ostpartei blieb, schaffte sie es, sich strukturell zu festigen und, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg, sich als neue Kraft im politischen System der Bundesrepublik dauerhaft zu etablieren. Bei ihrer ersten Bundestagswahl 1990 profitierte sie noch von einer Sonderegelung der Fünf-Prozent-Klausel für getrennte Wahlgebiete Ost und West. Da sie deutschlandweit gerechnet nur 2,4 Prozent der Stimmen errang, sagten ihr viele Politologen und Politiker den Untergang oder zumindest eine Bedeutungslosigkeit voraus. Doch da die etablierten bundesdeutschen Parteien relativ konzeptionslos die deutsche Einheit bewältigen wollten, konnte sich die PDS als Stimme der Bürger in den ostdeutschen Bundesländern profilieren, ohne dabei allerdings wirklich für eine Mehrheit zu sprechen.

Politisches Comeback
Spätestens im Wahljahr 1994 erlebte die Nachfolgepartei der SED ihr politisches Comeback. Von der Entwicklung im vereinten Deutschland enttäuschte Bürger in den östlichen Bundesländern sahen in der PDS wieder eine Alternative zu den etablierten Parteien der BRD. Durch den Gewinn von vier Direktmandaten in Berlin zog die Partei erneut in den Bundestag ein. Zuvor erlangte sie in Sachsen-Anhalt erstmals in einem Bundesland indirekt wieder politische Verantwortung – sie tolerierte die rot-grüne Minderheitsregierung.
Damit brach in der Organisation ein Machtkonflikt auf, der seit der Umwandlung der SED in die PDS latent bestand und sich auch weiterhin durch die gesamte Geschichte ziehen sollte: Der Streit zwischen in sich heterogenen orthodoxen und reformerischen Gruppierungen über den Weg zum Ziel Sozialismus. Ein Teil der Mitglieder setzte weiterhin auf revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft und lehnte jedwede „Anpassung“ an das politische System der Bundesrepublik und somit jede Machtbeteiligung ab. Die „Reformer“ dagegen setzten auf eine schrittweise Transformation der Gesellschaft über die Erringung einer kulturellen Hegemonie. Der anhaltende Streit wurde in den folgenden Jahren mit unterschiedlicher Intensität ausgetragen und führte teilweise zu einer programmatischen Stagnation. Erst 2003 einigten sich die unterschiedlichen Interessengruppen auf ein neues Parteiprogramm, welches der neuen politischen Realität Rechnung trug.
1998 erlangte die PDS einen vorläufigen Höhepunkt ihres politischen Einflusses im Land. Zwar verweigerte in Sachsen-Anhalt die SPD der Partei erneut eine Regierungsbeteilung (Tolerierung der SPD-Alleinregierung), doch im Herbst dieses Jahres kam es in Mecklenburg-Vorpommern zur ersten Koalition zwischen der SPD und der PDS. Bei der Bundestagswahl übertraf die Partei mit 5,1 Prozent erstmals auch die Fünf-Prozent-Hürde und zog mit Fraktionsstärke in den Bundestag ein.

Krisenjahre
Mit den Wahlerfolgen vermehrten sich aber auch die Probleme. Die Partei geriet gleich in mehrere Dilemmata. Einerseits vermehrte der zunehmende politische Einfluss die innerparteilichen Diskussionen und Streitigkeiten über die richtige Strategie und Taktik. Dies nahmen viele potentielle Wähler als endlose und unfruchtbare Beschäftigung der Partei mit sich selbst wahr, die somit immer weniger in die politischen Debatten des Landes eingreifen, geschweige denn eigene Akzente setzen konnte. Andererseits widmete die politische Konkurrenz der PDS wesentlich mehr Aufmerksamkeit und zwang sie immer wieder, sich mit ihrer Vergangenheit intensiv auseinanderzusetzen. Besonders die Aufdeckung von Spitzeltätigkeiten einzelner Abgeordneter und Funktionäre für das Ministerium für Staatsicherheit und der nie wirklich geklärte Verbleib des alten SED-Vermögens ließen das Ansehen der Partei bald wieder sinken.
Der im Jahr 2000 erfolgte Wechsel in der Partei- und Bundestagsfraktionsführung führte ob des oft glücklosen Handelns der neuen Verantwortlichen zu einer Krise der Partei. Außenpolitisch agierte die neue Führung um Gabriele Zimmer eher dogmatisch und wurde so von großen Teilen der Bevölkerung als verantwortungslos wahrgenommen. Innerhalb der PDS zeigte sie wenig Durchsetzungsvermögen und schaffte es auch nicht, die unterschiedlichen Flügel zu gemeinsamen Positionen zusammenzuführen. Gerade der Reformerflügel verlor massiv an Einfluss.
Aufgrund des Bankenskandals in Berlin und dem Spitzenkandidaten Gregor Gysi erreichte die Partei in der Stadt 2001 noch einmal ein hervorragendes Wahlergebnis mit 22,6 Prozent der Stimmen. Sie bildete mit der SPD die zweite rot-rote Koalition in einem Bundesland. In Sachsen-Anhalt dagegen musste wieder die Oppositionsrolle eingenommen werden und im folgenden Jahr schaffte die Partei nur noch mit zwei Direktmandaten den Einzug in den Bundestag. Innerparteiliche Blockaden einerseits und Mithaftung für soziale Einschnitte in den Ländern, in denen die PDS mitregierte bzw. tolerierte, andererseits bereiteten ihr massive Probleme. Als auch noch Gregor Gysi als Berliner Wirtschaftssenator auf Grund von Vorteilsname im Amt zurücktrat, stürzte die Partei in eine tiefe Krise.

Neue alte Führung und neuer Versuch einer linken Sammelbewegung
Die Erneuerung erwarteten die Parteimitglieder von der einstigen „Aufbaugeneration“ und wählten 2003 den Vorgänger von Gabriele Zimmer, Lothar Bisky, erneut zum Parteivorsitzenden. Diesem gelang es in der Folge, die Partei wieder zu einen und programmatisch neu aufzustellen. In drei Landtags- und der Europawahl des Jahres 2004 errang die PDS überall Stimmengewinne und vereinte in den Ländern etwa ein Viertel der Wähler auf sich.
Die Partei profitierte dabei von der Unzufriedenheit vieler Bürger über die Sozialreformen der rot-grünen Bundesregierung mit den Hartz-IV-Gesetzen. Gleichzeitig tat sich in der Bundesrepublik zunächst ohne Zutun der PDS die Chance einer neuen linken Bewegung jenseits der SPD auf. Mit der WASG (Wahlalternative für Arbeit & soziale Gerechtigkeit) bildete sich, vor allem gegen die unsoziale Politik der Bundesregierung und des unter PDS-Beteiligung regierenden Berliner Senats, eine Organisation hauptsächlich enttäuschter linker SPD-Politiker und PDS-Mitglieder, kritischer Gewerkschafter, ATTAC-Aktivisten und Mitgliedern ehemaliger linker Splittergruppen in Westdeutschland.
Spätestens mit dem Engagement des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine in der WASG nahm die PDS Kurs auf ein Wahlbündnis mit der neuen Organisation. Sowohl Gregor Gysi als Spitzenkandidat der PDS für die Bundestagswahl 2005 als auch Oskar Lafontaine trieben eine Zusammenarbeit beider politischer Gruppierungen auch gegen innerparteiliche Widerstände konsequent voran. Mitte Juni 2005 einigten sich PDS und WASG auf gemeinsame Listen für die Bundestagswahl. WASG-Mitglieder erhielten oft aussichtsreiche Plätze auf den offenen Listen der PDS. Letztere übernahm die volle Finanzierung des Wahlkampfes und die Kontrolle über das Wahlprogramm. Als Konzession benannte sich die Partei in „Linkspartei PDS“ um.
Die neue linke Sammelbewegung erreichte bei der Bundestagswahl 2005 auf Anhieb 8,7 Prozent der Stimmen und wurde damit zur vierstärksten politischen Kraft im Land. Vor allem die gewachsene Unterstützung in den westlichen Bundesländern, wo allein 4,9 Prozent der Stimmen für die offenen Listen abgegeben wurden, trug zu diesem Erfolg bei. Bei den folgenden Landtagswahlen zeigte sich dagegen ein eher gemischtes Bild. Wo die PDS bisher in der Opposition war, konnte sie meist deutlich zulegen. In Ländern, in denen sie selbst mitregierte, stagnierten die Ergebnisse bzw. musste die Partei herbe Verluste hinnehmen.
WASG und PDS fusionierten schließlich im Jahr 2007 zur neuen Partei „Die Linke“. Eine dauerhafte und einflussreiche Etablierung der neuen Partei im Westen gelang allerdings auch in den folgenden Jahren nicht.

Ein Rückblick
Die PDS hat entgegen den Voraussagen vieler Forscher und den Bemühungen um Ausgrenzung durch die etablierten Parteien der alten Bundesrepublik zum Trotz eine erfolgreiche Bilanz vorzuweisen. Sie wurde seit 1990 stets in alle Landtage der ostdeutschen Bundesländer gewählt (zum Teil als zweitstärkste Kraft) und stellte auch in jedem Bundestag seit der deutschen Vereinigung Abgeordnete. Sie hat sich ein relativ stabiles Wählerpotential geschaffen.
Die Wählerschaft selbst veränderte sich allerdings deutlich. Bis 1993 galt die PDS als Protestpartei und Vertreterin der alten Eliten der DDR. Ihre Wähler waren meist überdurchschnittlich gut qualifiziert und mit einem guten Einkommen ausgestattet. Danach entwickelte sich die Partei zu einer echten Volkspartei in den ostdeutschen Bundesländern. Mit zunehmender Dauer alterte ihre Wählerschaft und umfasste immer stärker untere soziale Schichten. Die PDS lebte als weitgehend ostdeutsche Regionalpartei von Gefühlen der Benachteiligung und ungerechten Behandlung im deutschen Einigungsprozess ihrer Wähler. Von DDR-Nostalgikern bis hin zu radikalen Gesellschaftskritikern fanden viele Strömungen in der PDS eine Heimat. Dadurch konnte sie sich zwar Anerkennung in Fragen der sozialen Gerechtigkeit erringen, als Partei, die die Zukunft gestalten kann, wurde sie allerdings kaum wahrgenommen.
Ihre sehr heterogene Wähler- und Mitgliedschaft war Vorteil und zugleich auch immer ein Problem der Partei. Ihr öffentliches Bekenntnis zur Demokratie stand immer neben einer Verteidigung der DDR und dem erklärten Ziel, eine sozialistische Gesellschaft anzustreben. Allerdings blieb dieses Ziel immer nur plakativ, ohne tief greifende theoretische Anstrengungen einer näheren Beschreibung zu unternehmen. Da es, wie schon die Politik der DDR erstrebte, allein mittels staatlicher Umverteilung erreicht werden sollte, war es eher nostalgisch als zukunftsorientiert. Die Versuche der etablierten Parteien, die PDS in eine verfassungsfeindliche und extremistische Ecke zu stellen, dürften allerdings eher dem Überleben und der Einheit der Partei genützt haben, als sie ihrem Ende näher zu bringen.
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