Filmjahr 1935  – Leni Riefenstahl und der Propaganda-Film

In Deutschland wurde das politische Geschehen vom NS-Regime dominiert, die sich in allen gesellschaftlichen Bereichen eingenistet hatte. Auch in der Filmbranche. Im Januar war das Reichsfilmarchiv in Berlin gegründet worden, das alle Filme und Dokumente der Filmgeschichte zu sammeln hatte.
Am 28. März 1935 fand die Uraufführung eines der einflussreichsten Filme der Regisseurin und Fotografin Leni Riefenstahl (1902-2003) im Berliner Ufa-Palast am Zoo statt – „Triumph des Willens“. Es war der zweite Teil von Riefenstahls Parteitags-Trilogie. Der Film schloss sich an den Vorgänger-Film „Sieg des Glaubens“ von 1933 an. „Triumph des Willens“ war ein inszenierter Dokumentarfilm. Er enthält Bildmaterial vom NSDAP-Parteitag 1934 mit Paraden, Aufzügen und Teilen aus den Reden verschiedener Nazi-Führer. Der Film wurde von Adolf Hitler selbst sehr unterstützt. Er erschien im Abspann als inoffizieller leitender Produzent. Das Hauptthema des Films behandelt die Rückkehr Deutschlands als Großmacht, an dessen Spitze Hitler als heilsbringender Führer steht. Riefenstahl gewann mit diesem 114-minütigen Film mehrere Preise in Deutschland, in den USA, in Frankreich, Schweden und anderen Ländern. Während der Weltausstellung in Paris erhielt Riefenstahl 1937 eine Goldmedaille ihr Propaganda-Werk. Nach dem Zweiten Weltkrieg beeinflusste der Film mit seiner Ästhetik andere Spiel- und Dokumentarfilme. Es kam die Diskussion auf, das Verhältnis von Kunst, Politik und Ethik zu hinterfragen. Der Film ist bis heute umstritten. Er ist jedoch nicht auf dem Index und ist ab 18 Jahren freigegeben.
Ein früher Klassiker wurde in jenem Jahr 1935 in Großbritannien produziert und zwar ein echter Hitchcock-Klassiker – „Die 39 Stufen“. Alfred Hitchcock (1899-1980) setzte ihn nach dem gleichnamigen Roman von John Buchan (1875-1940) in Szene, hatte aber nur Teile von der Romanhandlung übernommen und den Film ansonsten frei umgesetzt. In diesem Episodenfilm reihen sich die Situationen mit den charakteristischen Hitchcock-Mustern aneinander. Hitchcock inszenierte in diesem Film die erste Begegnung mit einem „MacGuffin“, den „39 Stufen“. Dieser von ihm geprägte Begriff für mehr oder weniger beliebige Objekte oder Personen, dienen in einem Film dazu, die Handlung auszulösen, sie voranzutreiben, ohne selbst von Interesse zu sein. Der „MacGuffin“ als verbreitetes Mittel hält die Spannung über die gesamte Filmhandlung aufrecht. Der Regisseur selbst tritt als stummer Passant in einer Gruppe auf, die an einem Bus vorbeiläuft. Diese kurzen Statisten-Auftritte sind typisch für die Hitchcock-Filme.
Aus Deutschland kam eine musikalische Komödie von Reinhold Schünzel (1888-1954) – „Amphitryon – Aus den Wolken kommt das Glück“. Schünzel hatte auch das Drehbuch geschrieben, das auf Heinrich von Kleists (1777-1811) „Amphitryon“ von 1807 sowie Molières (1622-1673) gleichnamigem Theaterstück und dem von Titus Maccius Plautus (um 254 v. Chr. - um 184v- Chr.) aufbaut. Der Film in hochkarätiger Besetzung war mit rund 2 Millionen Reichsmark die teuerste Ufa-Produktion des Jahres. Er erlebte seine Uraufführung im Juli 1935 im Berliner Gloria-Palast. Die Zensur hatte für diesen Film ein Jugendverbot verhängt. Zu NS-Zeiten ging der Film als solider Erfolg durch und wurde auch nach dem Zweiten Weltkrieg unverändert gezeigt. Die Hauptrollen waren u. a. mit Willy Fritsch (1901-1973), Paul Kemp (1896-1953) und der großen Dame des Theaters und des Tonfilms, Adele Sandrock (1863-1937), besetzt. Ihr komisches Talent hatte Sandrock gerade im Tonfilm voll zur Geltung bringen können, ist den Menschen aber auch durch ihre erfolgreichen Theaterrollen im Gedächtnis geblieben. Sie hatte wegen ihrer markanten tiefen Stimme den Beinamen „General“ bekommen.

Die 7. Oscarverleihung
Am 27. Februar fanden die „7th Annual Academy Awards“ in Los Angeles statt. Es wurden die Filme des Jahres 1934 gekürt und die Verleihung wurde von Irvin S. Cobb im Biltmore Hotel moderiert. In jenem Jahr wurde die Kategorie „Bester Schnitt“ und die musikalischen Kategorien „Bester Song“ und „Beste Filmmusik“ eingeführt und ausgezeichnet. Frank Capras „Es geschah in einer Nacht“ („It Happened One Night“) erhielt mit 5 Oscars nicht nur die meisten Auszeichnungen, sondern war auch der erste Film, der in sämtlichen Hauptkategorien (Drehbuch, Hauptdarsteller/in, Regie und Film) den Oscar abräumen konnte. Bislang hatten nur 3 Filme in der Geschichte der Academy Awards einen solchen Erfolg erzielen können. Die meisten Nominierungen hatte hingegen Victor Schertzingers „One Night of Love“, mit insgesamt 7 Benennungen erhalten.
Für Capras Film erhielt Clark Gable den Oscar als „Bester Hauptdarsteller“ und Claudette Colbert als „Beste Hauptdarstellerin“. Erstmals bei den Sonderpreisen der Academy Awards wurde in diesem Jahr der „Juvenile Award“ verliehen. Er ging an Shirley Temple als „Anerkennung ihres hervorragenden Beitrags im Bereich Filmunterhaltung im Jahr 1934“. Der Ehrenoscar wurde in Form eines Miniatur-Oscars an die Preisträgerin übergeben. Außerdem ging bei den besonderen Preisen der Preis für Wissenschaft und Entwicklung an die „Electrical Research Products Inc.“ und der Preis für Technische Verdienste an die „Columbia Pictures Corporation“ und die „Bell and Howell Company“.

Internationale Filmfestspiele von Venedig
In diesem Jahr wurde der Preis der Filmfestspiele von Venedig, erstmals von einer internationalen Jury vergeben. Den Preis für den „Besten ausländischen Film“ erhielt „Anna Karenina“ von Clarence Brown. Der „Beste italienische Film“ wurde „Casta diva“ von Carmine Gallone. Als „Bester Schauspieler“ wurden Pierre Blanchar und als „Beste Schauspielerin“ Paula Wessely für den Film „Episode“ gekürt. Als „Bester Regisseur“ erwies sich King Vidor für sein Werk „The Wedding Night“.

New York Film Critics Circle Award
Erstmals in diesem Jahr wurde parallel zu der Oscarverleihung und ebenso aus Protest zu dieser, der „New York Film Critics Circle Award“ verliehen. Dieser kürte in seiner ersten Verleihung John Fords „Der Verräter“ zum „Besten Film“. Für die „Beste Regie“ hatte John Ford ebenfalls eine Auszeichnung für seinen Film erhalten. Als „Bester Hauptdarsteller“ wurde Charles Laughton für die Filme „Meuterei auf der Bounty“ und „Ein Butler in Amerika“ ausgezeichnet. Zur „Besten Hauptdarstellerin“ wurde Greta Garbo für ihre Rolle in dem Film „Anna Karenina“ ausgezeichnet.

Filme die im Jahr 1935 an den Start gingen:
"Abenteuer im Gelben Meer" (Tay Garnett) mit Clark Gable und Jean Harlow.
" Adams" (George Stevens) mit Katharine Hepburn und Fred MacMurray.
"Amphitryon" (Reinhold Schünzel) mit Willy Fritsch und Paul Kemp.
"Anna Karenina" (Clarence Brown) mit Greta Garbo und Fredric March.
"Annie Oakley" (George Stevens) mit Barbara Stanwyck und Melvyn Douglas.
"Becky Sharp" (Rouben Mamoulian) mit Miriam Hopkins.
"Black Fury" (Michael Curtiz) mit Paul Muni.
"Bonnie Scotland" (James W. Horne) mit Stan Laurel und Oliver Hardy.
"The Crusades" (Cecil B. DeMille) mit Loretta Young.
"Dangerous" (Alfred E. Green) mit Bette Davis.
"The Dark Angel" (Sidney Franklin) mit Fredric March und Merle Oberon.
"David Copperfield" (George Cukor) mit Freddie Bartholomew.
"Episode" (Walter Reisch) mit Paula Wessely, Otto Tressler und Karl Ludwig Diehl.
"Escape Me Never" (Paul Czinner) mit Elisabeth Bergner.
"Der FBI-Agent" (William Keighley) mit James Cagney und Ann Dvorak.
"Folies-Bergère de Paris" (Roy Del Ruth) mit Maurice Chevalier und Merle Oberon.
"Frankensteins Braut" (James Whale) mit Boris Karloff.
"Front Page Woman" (Michael Curtiz) mit Bette Davis.
"Goldgräber von 1935" (Busby Berkeley) mit Dick Powell und Adolphe Menjou.
"The Good Fairy" (William Wyler) mit Margaret Sullavan.
"Der Himmel auf Erden" (E. W. Emo) mit Heinz Rühmann.
"Ich liebe alle Frauen" (Carl Lamac) mit Jan Kiepura und Theo Lingen.
"The Lives of a Bengal Lancer" (Henry Hathaway) mit Gary Cooper.
"Louis Pasteur" (William Dieterle) mit Paul Muni.
"Die Marx-Brothers in der Oper" (Sam Wood) mit den Marx-Brothers.
"Mazurka" (Willi Forst) mit Pola Negri.
"Meuterei auf der Bounty" (Frank Lloyd) mit Charles Laughton und Clark Gable.
"Les Misérables" (Richard Boleslawski) mit Fredric March und Charles Laughton.
"Mississippi" (A. Edward Sutherland) mit Bing Crosby und W. C. Fields.
"The Murder Man" (Tim Whelan) mit Spencer Tracy.
"The Mystery of the Marie Celeste" (Denison Clift) mit Bela Lugosi.
"… nur ein Komödiant" (Erich Engel) mit Rudolf Forster, Paul Wegener und Christl Mardayn.
"Peter Ibbetson" (Henry Hathaway) mit Gary Cooper und Ann Harding.
"Private Worlds" (Gregory La Cava) mit Claudette Colbert und Charles Boyer.
"Der Rabe" (Lew Landers) mit Boris Karloff und Bela Lugosi.
"Reckless" (Victor Fleming) mit Jean Harlow und William Powell.
"Roberta" (William A. Seiter) mit Irene Dunne und Fred Astaire.
"Ruggles of Red Gap" (Leo McCarey) mit Charles Laughton.
"San Francisco im Goldfieber" (Howard Hawks) mit Miriam Hopkins und Edward G. Robinson.
"Ein Sommernachtstraum" (William Dieterle / Max Reinhardt) mit James Cagney und Joe E. Brown.
"Stradivari" (Géza von Bolváry) mit Gustav Fröhlich.
"Stützen der Gesellschaft" (Douglas Sirk) mit Heinrich George.
"A Tale of Two Cities" (Jack Conway) mit Ronald Colman.
"Ich tanz mich in dein Herz hinein" (Mark Sandrich) mit Fred Astaire und Ginger Rogers.
"Der Teufel ist eine Frau" (Josef von Sternberg) mit Marlene Dietrich und Lionel Atwill.
"Triumph des Willens" von Leni Riefenstahl.
"Unter Piratenflagge" (Michael Curtiz) mit Errol Flynn und Olivia de Havilland.
"Der Verräter" von John Ford.
"Der Vogelhändler" (E. W. Emo) mit Maria Andergast und Wolf Albach-Retty.
"The Wedding Night" (King Vidor) mit Gary Cooper.
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